Von 2022 aus betrachtet
Eine unmaßgebliche Meinungsäußerung
Man könnte fast glauben, der Titel von Sylvia Witzenmanns Ausstellung sei symbolisch für unsere aktuelle Situation gemeint gewesen – nicht zuletzt, weil die Künstlerin ja einen Zyklus von Pastellkreide-Zeichnungen auf schwarzem Papier zum Thema Corona ausgestellt hat. Der Titel hatte zwar einen anderen Bezug, wie man in dem Film* über die virtuelle Eröffnung erfahren kann. Aber er passt dennoch auf die gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse: EINBLICKE in naturwissenschaftliche (und philosophische) Zusammenhänge, sowie DURCHBLiCKE im Stimmengewirr der Meinungen zwischen Fakten und "alternativen Fakten", zwischen Theorien und Verschwörungsmärchen, zwischen berechtigter Mahnung und popu-listischer Hetze, zwischen News und Fake News – die sind uns allzu sehr abhanden gekom-men. Zu verlockend glänzt und blendet der zum Goldenen Kalb erhobene Wert der Freiheit, der von allzu vielen nur noch als Erlaubnis zur eigenen Willkür wahrgenommen und mit Selbst-verständlichkeit beansprucht wird. Die Werte Gemeinschaft, Solidarität und Verantwortung stehen daneben wie schüchterne, kleine, graue Aschenputtel. Klar – keiner hier bei uns wünscht sich einen totalitären Überwachnungsstaat chinesischer oder russischer oder sonstiger Machart. Aber die Kritik solcher Regime an unserer freiheitlichen Dekadenz sollten wir auch nicht einfach mit dem Bade ausschütten! Vielleicht sind wir ja tatsächlich schon in eine gewisse Schieflage geraten und müssen unser Narrenschiff wieder ins Gleichgewicht bringen. Und wenn das so ist, dann entbehrt es nicht einer bitteren Ironie, dass jetzt ausgerechnet ein Diktator und Kriegsverbrecher uns dabei helfen muss, den Wert der Gemeinschaft und des Zusammenhalts wieder wertzuschätzen... (NJ)
* https://youtu.be/Qx8ICbH7qoM